Elements, holding Space
Text: Barbara Collé
Suchen, orientieren – als würde ich in die Ferne starren und langsam immer mehr erkennen. Du musst innehalten und schauen, lange suchen, um zu sehen, wo du bist, dass du bist. Es ist ein Fokusraum. Uta Neumann’s Welt ist ein Fokusraum. Wie lange dauert es, bis du an deinen eigenen Körper glaubst, ihm vertraust und ihm folgst? Wie lange dauert es, um zu sehen, was Du siehst? Wenn ich meine Aufmerksamkeit in diesem mir angebotenen Fokusraum auf das richte, was ich sehe, was ich höre, höre ich, dass auch die Musik ruft. Es ist auch hier der Ruf nach Orientierung. „Wo bist du?“ – „Ich bin hier, mitschwingend.“
Atmen, die Berge atmen. Atmen ist Resonanz. Die Erde atmet. Ich wusste das immer, und jetzt, wo ich es hier vor mir sehe, appelliert das Wissen an mein physisches Wissen. Natürlich atmet, bewegt und lebt die Landschaft. Ich wusste es, und jetzt sehe ich es und bestätige es mit meinem eigenen Atem. Uta Neumanns Landschaft lebt.
Und plötzlich bemerke ich, dass sich mehr und mehr Farbe in die Landschaft hineingießt. Und je mehr ich sehe, desto mehr gehe ich aus mir heraus und versinke in der Landschaft. Gelber Ocker, braunes Gold, Goldgelb wie Halme färbt sich die Erde. Dann nimmt der Berg langsam und träge die Farben zurück, bis die Landschaft in Dunkelheit übergeht. Lila, kohlschwarze Tiefe.
Ist es ein Abschied oder eine Einladung? Es stellt sich als Einladung heraus, denn die nächste Sequenz ist das Innere des Atems. Wir sind von außen in den Organismus eingedrungen. Wo die Stimme vibriert, vibriert der Atem, vibriert der Wind durch unser Leben. Szenen drei und vier gehen noch tiefer hinein. Eine dünne Membran aus hochtransparentem Stoff lässt uns alleine atmen. Diese Membran hebt uns empor, trägt uns wieder nach unten.
Dann verstehe ich, dass der Atem der Sopranistin, der Atem der Flöte, des Berges, von dir und mir eine kontinuierliche Welle ist. Diese Arbeit verbindet uns. Wenn wir ohne zu erröten erkennen, dass die Landschaft, die Erde atmet, wie wir selbst, dann sind wir Teil, dann sind wir genau dort, wo es pulsiert, vibriert, räsoniert. Wir sind das Echo der Landschaft und sie nährt uns.
Als das Bild der fünften Szene erscheint, fühle ich mich erfüllt. Der gebirgigste Teil unseres eigenen Körpers ist zu sehen und auch diese Berge atmen. Was ich höre ist richtig, was ich sehe ist das, was ich von der ersten Minute an intuitiv wahrgenommen habe. Es ist eine hoffnungsvolle Arbeit, in die wir als Menschen eingeladen sind, als Teil der durchscheinenden Membran des Lebens.
Und in der letzten Sequenz stellt sich heraus, dass es tatsächlich wahr ist. Es geht um Leben und Atmen.
Die papierenen Glocken, die anmuten wie Lungen oder Geister, bewegen sich zunächst etwas mehr, dann jagen sie sich, rufen sich, dann bewegen sie sich weniger und bekommen mehr Form, sie werden dichter, dunkler. Offen und geschlossen, offen und geschlossen, wie die Kiemen eines Fisches. Wie die Berge, haben auch diese Glocken ihren eigenen Rhythmus. Durch die Glocken wird der Atem geboren und gefeiert, wenn sie in den Bergen läuten und der Wind uns unseren Atem gibt und wieder nimmt. Gibt und wiederum nimmt.
Text: Barbara Collé